06.02.2024
Bildtafel 37: Vern Ordo 2, fol 5 (2. Ordnung des Frühlings)
Mit wenigen Ausnahmen sind es Hyazinthen,
die sich hier erstmals auf fünf aufeinanderfolgenden Tafeln finden, aber auch
auf wenig späteren nochmals vertreten sein werden (36, I u. II; 37, I-III; 38,
II u. III; 39, II u. III; 40, I u. II; 44, II u. III; 45, III; 46, I - V; 47, I
- III) . Obwohl sich der Pflanzenname Hyakinthos und davon abgeleitete Formen
bereits in der Antike finden lassen, gehen wir davon aus, daß jene Blume, die
wir heute darunter verstehen, damals noch nicht kultiviert wurde. Ausführlich
informiert sind wir dagegen über die legendäre Entstehung der Blume, bei der
Parallelen zur Anemone bzw. zur Adonis-Sage unübersehbar sind: Hyakinthos, ein
überaus schöner Jüngling, wurde seiner Anmut wegen von Apoll und Zephir, dem
Gott des Westwindes, gleichermaßen begehrt. Als er seine Gunst aber dem
Sonnengott zuwandte und dieser ihn das Diskuswerfen lehren wollte, lenkte der
eifersüchtige Zephir durch einen Windstoß die fliegende Scheibe gegen den Kopf
des Epheben, der tödlich getroffen zu Boden sank und selbst von Apoll nicht
mehr ins Leben zurückgerufen werden konnte. Aus seinem Blut entstand die nach
dem Jüngling benannte Pflanze.
Derart blutrünstige Geschichten
taten der späteren Beliebtheit der Pflanze in Mitteleuropa keinen Abbruch.
Nachdem sie um die Mitte des 16. Jahrhunderts aus dem vorderen Orient hierher
kam, verbreitete sie sich bald in den Gärten, obwohl bei den ersten Exemplaren
die Einzelblüten noch sehr viel kleiner waren und weiter auseinander standen,
als wir dies von den heutigen vollen Blütenständen gewöhnt sind. Ihre üppige
Form bekam die Hyazinthenblüte erst im Lauf der letzten drei Jahrhunderte.
Auch der zweiblättrige
Blaustern (37, IIII), der Milchstern (38, I; 43, III) und der Gelbstern
(39, I) können es wegen ihrer grazilen Schönheit mit den Hyazinthen aufnehmen.
Beim Milchstern fiel besonders auf, daß sich seine Blüten erst
ungewöhnlich spät am Vormittag und dann auch nur für recht kurze Zeit öffnen. Diese
„Schlafmützigkeit“ muß er mit allerhand volkstümlichen Namen büßen von
„Slaapmütz“ in Norddeutschland über das französische „dame d’onze heures“ bis
zum englischen „Jack-go-to bed-at-noon“ oder dem amerikanischen „Sleepy Dick“.
Die beiden „praecox“, also zeitig
im Jahr, blühenden Tulpen (39, IIII u. V) geben einen Vorgeschmack auf
den noch kommenden umfangreichen Katalog dieser im Hortus Eystettensis extrem
stark vertretenen Zierblumen.
Das Hasenglöckchen (40,
III-V) wird heute zwar einer anderen botanischen Gattung zugerechnet als die
Hyazinthe, in seinem Namen „Hyacinthoides“, kommt jedoch die große Ähnlichkeit
und enge Verwandtschaft zwischen beiden deutlich zum Ausdruck.
(Werner Dressendörfer: "Die Pflanzen des Hortus Eystettensis. Ein
botanischer und kulturhistorischer Spaziergang durch das
Gartenjahr." In: Hortus Eystettensis. Commentarium. A cura di
Klaus Walter Littger u.a. Sansepolcro: Aboca, 2006, S. 58-274)
Mit
freundlicher Genehmigung von Aboca Museum