19.03.2024
Bildtafel 79: Vern Ordo 4, fol 13 (4. Ordnung des Frühlings)
Fast scheint es, als wollte die
letzte Tulpe des Hortus Eystettensis, eine weißblühende späte Sorte (79,
I) noch einmal demonstrieren, daß es der raffiniert gezüchteten Farbenspiele
ihrer Schwestern gar nicht bedarf. Sie breitet ihre sechs Kronblätter ungewöhnlich
weit aus, verzichtet auf Farbe und schmückt sich nur mit dem kontrastierenden
Griffel und den Staubgefäßen.
Dennoch können die beiden
Laucharten, die sie flankieren, neben soviel Schönheit sehr wohl bestehen. Mit
beiden verbinden sich spektakuläre historische Zusammenhänge. Der Goldene Lauch
(79, II), in einigen Teilen Spaniens heimisch, wird auch heute noch als
Zierpflanze in vielen Gärten geschätzt. Die Botaniker gaben ihm den lateinischen
Namen Allium moly und nahmen damit einen Namen auf, der sich bereits bei Homer
findet: als die Zauberin Kirke die Gefährten des Odysseus in Schweine
verwandelt hatte, konnte dieser mit dem Kraut Moly, das er von Hermes erhielt,
den Zauber lösen. Der Allermannsharnisch (79, III) findet sich nur noch
selten an felsigen Hängen und fällt durch das ungewöhnliche Aussehen seiner
Zwiebel auf, die eher einem von einer faserigen Hülle umgebenen Wurzelstock
gleicht. Nach dem mittelalterlichen Analogiedenken mußte diese Besonderheit ein
Hinweis auf einen bemerkenswerten, vergleichbaren Sachverhalt sein und so nahm
man an, die Wurzel sei von sieben Häuten umgeben und wer sie als Talisman bei
sich tragen würde, sei durch sie ebenso gut geschützt wie durch einen siebenfachen
Harnisch, was den deutschen Namen erklärt.
(Werner Dressendörfer: "Die Pflanzen des Hortus Eystettensis. Ein
botanischer und kulturhistorischer Spaziergang durch das
Gartenjahr." In: Hortus Eystettensis. Commentarium. A cura di
Klaus Walter Littger u.a. Sansepolcro: Aboca, 2006, S. 58-274)
Mit
freundlicher Genehmigung von Aboca Museum